Wilde Tiere und der Schnee

Der Winter ist für viele Wildtiere unserer Gebirgswelt eine anstrengende Zeit. Aufgrund der Schneelagen kommen sie oftmals nur begrenzt an Nahrung und die Nahrungssuche ist mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden. Das ist vielen Sporttreibenden bekannt. Was aber viele nicht wissen ist, dass der Frühling für Wildtiere ebenfalls eine sehr kritische Zeit sein kann.

Der Schnee ist in den Niederungen geschmolzen und die Schlüsselblümchen blühen bereits vielerorts. In dieser Jahreszeit zieht es viele Wintersportler und Wintersportlerinnen in die Berge. Es locken Frühlingstouren mit langen, sonnigen Abfahrten. Für Wildtiere wie Gämse, Steinböcke oder auch Raufusshühner ist diese Jahreszeit aber äusserst kritisch. Der Winter geht zu Ende und ein Grossteil der im Herbst angefressenen Energiereserven wurde während der kalten Monate bereits aufgebraucht. In ihren Habitaten liegt oftmals immer noch viel Schnee und der Zugang zu qualitativ hochwertiger Nahrung ist weiterhin begrenzt. Energie ist also Mangelware. Um möglichst wenig davon zu verbrauchen, haben viele Wildtiere ihnen Stoffwechsel gedrosselt.

Schon eine einzelne Störung, wie eine Tourengängerin oder ein Tourengänger, kann zur Folge haben, dass ein Tier die Flucht ergreift, den Stoffwechsel beschleunigen muss und daher signifikant mehr Energie verbraucht. Das zerrt, besonders im Frühling, empfindlich an den Reserven und kann fatale bis, für einzelne Tiere, letale Folgen haben.

Daher ist es wichtig, dass Wildschutzgebiete und Wildruhezonen bis an das Ende der Skitouren-, beziehungsweise Schneeschuhsaison nicht begangen oder befahren werden. Nur so können Wildtiere den Frühling ungestört verbringen und optimal in den Sommer starten. Und wir können uns auf der nächsten Hochtour am Anblick eines Steinbockes in der steilen Felswand und am Gamswild auf dem nahen Gipfel erfreuen.

Adrian Hochreutener, Umweltschutzbeauftragter

Foto: Kurt Walser