Viele SAC-Touren haben einen Gipfel als Ziel. Die sportliche Aktivität steht im Zentrum. Auf dieser Exkursion aber haben wir die Welt der SAC-Touren für ein Mal auf den Kopf gestellt. Ohne Hast, dafür mit weit geöffneten Augen, wanderten wir im Alpstein und legten unseren Fokus auf die überwältigende Vielfalt der einheimischen Pflanzen.
Der Alpstein bietet auf kleinem Raum unglaublich vielen Pflanzenarten ein Zuhause. Allein auf der Toggenburger-Seite des Säntis kommen mehr als 1000 von den in der Schweiz fast 4000 einheimischen Pflanzen vor. In dieses vielfältige Gebiet führte uns unsere Wanderung. Wir starteten in Alt St. Johann und erlebten auf unserem Weg, wie sich die Pflanzenzusammensetzung mit zunehmender Höhe ändert. Von der montanen Höhenstufe, wo im Wald Laubbäume vorkommen, über die subalpine Stufe, wo Nadelbäume Überhand nehmen, bis annähernd zur alpinen Stufe, wo nur noch krautige Arten vorkommen, konnten wir interessante Einblicke gewinnen.
Am Gräppelensee sahen wir, wie Wasser die Lebensräume formt und wie es zusammen mit der Höhe und den verfügbaren Nährstoffen die Verbreitung der Pflanzen bestimmt. Geschützte Orchideen, welche unter anderem in nährstoffarmen Flachmooren in Senken zwischen mächtigen Bergrücken wachsen, leuchteten uns auf unserem Weg immer wieder violett entgegen. Richtung Gamplüt schliesslich befassten wir uns mit Trockenlebensräumen, wie sie in den Bergen oft vorkommen. Eine Wanderung durch die Extreme. Vielleicht nicht für uns, aber sicher doch für die Pflanzen, welche hier trotz Kälte im Winter und Hitze im Sommer gedeihen.
An einer sonnigen Stelle unterhalb des Wildhauser Schafberg versuchten wir verschiedene Pflanzen anhand von Literatur zu bestimmen. Anfangs gestaltete sich dies gar nicht so einfach und wir waren froh, eine Fachperson mit dabei zu haben. Jonathan Pachlatko konnte mit seinem Fachwissen überzeugen und half zielsicher bei der Ansprache der Flora. Dank seinen Inputs konnte so manche Pflanze schliesslich korrekt bei ihrem Namen genannt werden.
Auf dem Rückweg ins Tal machten wir uns nochmals darüber Gedanken, wie es Pflanzen möglich ist, in den unwirtlichen Lebensräumen unserer Berge zu überleben. Sie haben sich dazu im Laufe der Evolution verschiedene Techniken zu eigen gemacht. Das eindrücklichste Beispiel, welches wir auf unserer Wanderung gesehen haben, war sicherlich ein Gras (Poa alpina), dass in der Regel keine normalen Samen ausbildet. Vielmehr vermehrt es sich über Klone. Sie wachsen wie kleinste Grasbüschel anstelle der üblichen Samen! Auch ist es kein Zufall, dass alpine Rasen farbenfroh und intensiv blühen und duften. Damit versuchen die einzelnen Pflanzen sich neben ihren Nachbarn in Pose zu setzen und möglichst viele bestäubende Insekten anzulocken – sehr zu Freuden von unseren Augen und Nasen.
Viel Interessantes und Neues wurde an diesem Tag gelernt und wir glaubten zu sehen, dass die Begeisterung für Pflanzen und ihre natürlichen Lebensräume auch in den Augen der Teilnehmenden entflammt ist. Die Exkursion soll im nächsten Jahr in ähnlichem Rahmen wiederholt werden. Zusätzlich werden auf ergänzenden Exkursionen Einblicke in die einheimische Tierwelt und die Notwendigkeit von Wildruhezonen vermittelt. Auf zahlreiche Anmeldungen freuen wir uns, denn nur wer die Natur und ihre Wunder kennt und schätzt, wird diese auch schützen.
Adrian Hochreutener, Umweltbeauftragter SAC St. Gallen