Trouvaillen aus dem Sektionsarchiv

Das Sektionsarchiv der SAC Sektion St. Gallen

In loser Folge veröffentlicht Marcel Halbeisen, Bergsteiger und Hobbyhistoriker und engagiertes Sektionsmitglieder,  auf dieser Seite interessante, witzige und historisch bedeutende Trouvaillen aus dem Sektionsarchiv der SAC Sektion St. Gallen.

Trouvaille Nr. 3: Menschen in den Bergen

Menschen in den Bergen

Seit Menschen in die Berge gehen, werden auch Fotografien erstellt. Ganz so einfach wie heute war das damals nicht, die Fotoapparate waren gross und schwer, die Aufnahmen kamen recht teuer. Aber trotzdem sind im Archiv der SAC Sektion St. Gallen eine Vielzahl von alten Bildern einsehbar. Besonders interessant sind die Glas-Dias, die fleissige Mitglieder der SAC Sektion St. Gallen vor ein paar Jahren gereinigt haben und die vom Staatsarchiv dann digitalisiert wurden. Damit konnten die Bilder für die Zukunft gerettet werden. Diese Bilder habe ich mir mal angesehen, denn es sind wirklich faszinierende Aufnahmen darunter. Sie sind einsehbar unter der Signatur W 312/11.2 «Glasdiapositive, geordnet nach Regionen».

Bergbilder

Verständlicherweise ist der grösste Teil der Bilder Aufnahmen von Bergen, im Archiv sauber nach Regionen oder Themen abgelegt. Wir können daher die Aufnahmen meist gut zuordnen, was einen Vergleich mit heute ermöglicht. Die zweite recht grosse Gruppe sind dann Aufnahmen der Berggänger und bedingt durch das Alter der Bilder – die meisten sind mittlerweile über 100 Jahre alt – mit wenigen Berggängerinnen. Dann findet man auch Aufnahmen von Reisen nach Korsika oder sogar Japan, die viel Kultur zeigen und ebenfalls faszinierend sind. Weiterhin finden wir Clubaktivitäten und Naturbilder sowie diverse Bilder, die keiner Serie zugeordnet werden konnten.

Eine kleine Anzahl von Bildern, haben mich bei der Durchsicht aber mehr angesprochen. Es sind meist einzelne Bilder von Menschen, die in den Bergen lebten und wohl eher zufällig – während den Touren oder Reisen – aufgenommen wurden. Man kann davon ausgehen, dass keine dieser Personen, die hier verewigt wurden, noch lebt. Und wenn keine weiteren Aufnahmen von ihnen existieren, könnte die Erinnerung an sie tatsächlich nur dieses eine Bild sein.

Jeder Mensch ist ein eigenes Leben

Ich habe die Bilder für diese Trouvaille aus ihren Zusammenhängen gerissen, so dass wir nicht wissen, wo sie aufgenommen wurden. Ebenfalls habe ich die Rahmen der Dias entfernt, damit eventuell vorhandene Beschriftungen nicht mehr lesbar sind. Denn es geht mir nur um den oder die abgebildeten Menschen, nur auf die sollen wir uns konzentrieren. Wer will, kann natürlich im Archiv die Original-Scans einsehen und die Menschen wieder «in ihre Heimat zurückführen». Doch so sollen es Momentaufnahmen eines Lebens sein.

Wir sehen Menschen bei der Arbeit, beim Essen oder irgendwo in ihrem damaligen Leben. Wir sind frei unsere Gedanken schweifen und die Bilder auf uns wirken zu lassen. Wir können die Frage stellen, wer sie waren oder wie sie lebten, wir können sogar eine ganze Geschichte rund um dieses eine Bild machen. «Die Gedanken sind frei», wie schon in einem alten deutschen Volkslied gesungen wurde.

Unsterblich

Der Fotojournalist Robert Lebeck, der 2014 im Alter von 85 Jahren in Berlin verstorben ist sagte: «Ein gutes Photo macht unsterblich». Und so sollen diese Bilder die Menschen, die hier abgebildet sind, etwas unsterblich machen. Auch wenn wir sie nicht kennen, auch wenn wir nicht genau wissen, wie sie gelebt haben, durch unsere Gedanken bekommen sie eine Geschichte und werden so etwas unsterblich.

Text: Marcel Halbeisen / Bilder: SAC-Archiv

Trouvaille Nr. 2: Die ersten Sektionsprotokolle

Die ältesten Dokumente unserer Sektion können eigentlich nur die sein, die zur Gründung erstellt wurden. Das faszinierende ist, dass diese immer noch existieren, in sehr gutem Zustand sind und im Staatsarchiv eingesehen werden können (Signatur W312/03).
Eine Reise ganz an den Anfang unserer Sektion mit einer Überraschung.

Der erste Kontakt

Als mir die erste Schachtel überreicht wurde, kam Ehrfurcht auf. Diese vier Protokollbände sind mittlerweile bis über 160 Jahre alt, eine Zeit, in der in Amerika immer noch der Sezessionskrieg tobt. Ich öffne die Schachtel und nehme die ersten vier Bände unserer Sektionsgeschichte heraus und lege sie vor mir auf den Tisch.

Ein Hauch von Nostalgie, aber auch Neugier umgibt mich. Ich lege die «neueren» drei Bände auf die Seite und öffne ganz langsam den ersten Band. Die alte Schrift ist nicht einfach zu lesen, doch der erste Eintrag lautet: „Schweizerischer Alpenklubb, Section St Gallen, Konstituirende Sitzung v. 3 Juni 1863, Abends 8 Uhr in der Walhalla“

Die Schreibweise, insbesondere «Alpenklubb» überrascht mich und ich muss zugeben, dass ich keine Ahnung habe, wie sich unsere Schreibweise in den vielen Jahren verändert hat.

 

Die Neugierde ist geweckt

Weiter schreiben sie, dass 11 Mitglieder anwesend sind, obwohl man in einem ‚Klubb‘, der gerade erst gegründet wird, eigentlich noch kein Mitglied sein kann. Formsache, ich lese weiter, so gut wie ich es denn erkennen kann. Es tauchen Namen auf, die mir, da ich mich für die Geschichte unserer Sektion interessiere, nicht unbekannt sind. Dr. F. von Tschudi als Präsident, J. J. Weilenmann als Actuar und der mir nicht bekannte G. Sand als Cassier. Der Mitgliedsbeitrag wird wie weiter unten zu lesen ist auf Fr. 3 definiert, alles andere ist dann doch sehr schwer für mich zu identifizieren. Aber vielleicht findet sich ein Mitglied in unserer Sektion, welches diese Texte «übersetzen» kann. Die ersten Seiten sind für interessierte Mitglieder auf unserer Website verfügbar.

 

Die Überraschung

Ich blättere weiter, sehe mir auch die anderen drei Bände an und staune über die verschiedenen Schriftstile, denn offensichtlich wurden die Protokolle von verschiedenen Personen geschrieben. Das erstaunt eigentlich nicht, denn der Zeitraum geht vom 3. Juni 1863 bis zum 26. Dezember 1891. Doch plötzlich lese ich beim Protokoll vom 10. August 1864 «Sektion Säntis». Das überrascht mich, denn die Sektion Säntis wurde, wie man auch auf deren Website nachlesen kann, erst 1869 gegründet. Ich blättere zurück, um zu überprüfen, wann sich das geändert hat, und stelle fest, dass nur im Gründungsprotokoll die Sektion St. Gallen erwähnt wurde, die nächsten 6 Protokolle bis zu diesem 10. August 1864 wurde kein Sektionsname erwähnt. Danach wurde weiterhin, «Section Säntis» geschrieben. (Die ersten Einträge der jeweiligen Protokolle werden zusammen mit diesem Text veröffentlich).

 

Wer wird das Rätsel lösen?

Man fragt sich jetzt natürlich, warum die Sektion St. Gallen nur im Gründungsprotokoll erwähnt wurde, danach nicht mehr und später als Sektion Säntis auftaucht, die erst fünf Jahre später gegründet wurde. Hat der Verein den Namen zwischenzeitlich geändert? Hat sich ein Fehler in unserer Erinnerung eingeschlichen?
Vielleicht kann das jemand ganz einfach beantworten? Vielleicht findet sich jemand, der oder die dieses Rätsel lösen kann? Es wäre spannend dies zu erfahren!

Wer also Details kennt, kann sich gerne bei mir melden, damit ich sie allen Sektionsmitgliedern zur Verfügung stellen kann.

Text: Marcel Halbeisen / Bilder: SAC-Archiv

Trouvaille Nr. 1: Die erste Ausgabe der Clubnachrichten

Unsere Sektion wurde im Jahre 1863 gegründet, doch erst 66 Jahre später, im Jahre 1929 wurden die ersten Clubnach- richten veröffentlicht. Die monatlich erschienen Clubnachrichten wurden von der Buchdruckerei H. Tschudy & Co., St. Gallen, gedruckt und dann auch zu einem Band inklusive Inhaltsverzeichnis zusammengestellt.

Dass diese Clubnachrichten für die Sektionsmitglieder einen sehr hohen Stellenwert hatten, kann man sich durchaus vorstellen. Denn was für uns heute selbst- verständlich ist, war damals nicht verfügbar: alle Informationen, jederzeit, an jedem Ort. Fernsehen gab es noch nicht – in der Schweiz startete erst am 1. Januar 1958 ein regelmässiger Sendebetrieb – und ein Internet konnten sich nicht mal die kühnsten Science-Fiction-Autoren vorstellen. Informationen konnten nur über Radio und Zeitungen oder persönlich weitergegeben werden.

Kommunikation vor fast 100 Jahren

Doch wie wurden Tourendurchführungen kommuniziert? Wie wir in ebendieser Ausgabe lesen können, war dafür der Stammtisch wichtig, an dem man sich vor einer Tour noch traf, und – daran kann sich sicher noch die ältere Generation unter uns erinnern – ein Service des Tele- fonanbieters. So lesen wir doch immer wieder Sätze wie «Auskunft von 5.30 Uhr an durch die Telephonzentrale». Klingt gut organisiert, doch das erstmals 1880 in Zürich eingeführte Telefonnetz hatte noch keine komplette Verbreitung in der Schweizer Bevölkerung. Zwar wurde das Telefon bis 1896 in allen Kantonen einge- führt, doch gab es 1920 erst 3,3 und sogar noch 1940 erst 11 Telefone pro 100 Einwohner. Auch auf Telefonkabinen konnte man nicht grossflächig zurückgreifen, denn die so genannten «Kassierstationen mit Wählscheibe» wurden auch erst zwischen 1928 und 1933 eingeführt. Man musste sich also immer bemühen, um an die nötigen Informationen zu kommen. Immerhin gab es seit 1923 schon einen Auskunftsdienst, die Nummer war 11, aber ich bezweifle, dass man dort Toureninformationen einholen konnte.

Unsere ersten Clubnachrichten

Wie der damalige Sektionspräsident J. Tuchschmid in der Januarausgabe schreibt, waren Clubnachrichten in unserer Sektion ein «seit Jahren gehegter Wunsch». Die Ziele waren damals im Prinzip die gleichen wie heute, es wird «ein äusserst wertvolles Bindeglied geschaffen, das dem Vorstande die Möglichkeit geben wird, in stetigem Kontakte mit den Mitgliedern zu bleiben, bekannt zu geben, was im rege pulsierenden Clubleben vor sich gegangen und besonders auch auf kommende Veranstaltungen aufmerk sam zu machen».

Besonders schön ist der Schlussatze des damaligen Präsidenten:

«Möge das bescheidene Heftchen mit helfen, alte Bande enger zu gestalten, neue anzuknüpfen; möge es überall die gebührende Aufmerksamkeit finden und unserer lieben Sektion St. Gallen des Schweizer Alpenclubs zu Ehre gereichen!»

 

Lesenswerte Beiträge

Im ersten Jahrgang unserer Clubnach- richten finden sich einige interessante Informationen, aber auch herrliche Zeit Zeugnisse. Hier findest du die gesamte Ausgabe als pdf. Besonders lesenswert sind folgende Beiträge:

  • Baubericht vom Neubau der Grialetschhütte – Fritz Küpfer, Architekt Seite 6 – 12
  • Jahresbericht 1928 – Diverse Autoren – Seite 31 – 43
  • Artikel über «Prof. Albert Heim zu seinem 80. Geburtstag» sowie über «Unser Säntispanorama» – A. Ludwig / Tuchschmid – Seite 48 – 53
  • Aufruf zur Schaffung einer hochalpinen Forschungsstation auf Jungfraujoch – Seite 77 – 80
  • Skiturnen – Hans Rühe – Seite 120
  • Aus der Geschichte des Wildkirchli – Emil Bächler – Seite 124 – 128

Doch auch die Tourenbeschreibungen und selbst die Ausschreibungen lohnen sich! Die für mich herrlichste, weil mit viel Humor verfasste Beschreibung ist die über den «K V» (fünfter Kreuzberg) auf den Seiten 73 – 75 von C. Egloff. Sehr speziell das Bild der Altenalptürm-Kletterer auf Seite Das waren noch Zeiten! Und dann natürlich «Die 10 Gebote eines Vereins» auf Seite 107f.

Sicher ausserordentlich wichtig für die Sektion war die «Abgeordnetenversammlung des S.A.S. in St. Gallen», von der wir auch das Programm des Unterhaltungs- abends vom 23. November 1929 nachlesen können. Begonnen mit «Volksliedern und Märchen» bis zur «Gemütlichen Vereinigung und Tanz bis morgens 5 Uhr».

Text © Marcel Halbeisen

Titelbild Clubnachrichten 1/1929
Titelbild Clubnachrichten 1/1929
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